Der Lagerbestand unserer aktuellen Bambusfaser-Blumentöpfe für unsere Anzuchtsets neigt sich langsam dem Ende zu und wir haben die Möglichkeit genutzt und eine ausführliche Analyse für den „idealen nachhaltigen Blumentopf“ entworfen. Auf Basis der Analyse wollten wir unseren aktuellen Topf überprüfen und gegebenenfalls einen neuen Topf entwickeln. In mehr als 40 Seiten Analysepapier haben wir das scheinbar banale Thema „nachhaltige Blumentöpfe“ so ausführlich abgehandelt wie wahrscheinlich noch nie jemand vor uns. In der Analyse haben wir uns mit grundsätzlichen Fragen zum Design und Konzept von nachhaltigen Blumentöpfen auseinandergesetzt, Herstellung und Recyclingoptionen evaluiert und verschiedene Blumentopfmaterialien geprüft. Auf Basis verschiedener Haltbarkeits-, Recycling- und Designanforderungen haben wir dann als ideales nachhaltiges Material 100% recycelten Kunststoff (Post Consumer) identifiziert. Im Idealfall sollte dieser Kunststoff ozeangebunden also aus dem Meer und Meeresnähe recycelt werden. In diesem Beitrag teilen wir unsere bisherigen praktischen Erfahrungen bei der Umsetzung unserer theoretischen Konzepte für den neuen Blumentopf.
Der aktuelle Stand
Seitdem wir mit der Konzeption für unsere nachhaltigen Blumentöpfe begonnen haben, sind mehr als 6 Monate vergangen und wir sind ein ganzes Stück weiter gekommen. Wir haben uns mit zahlreichen Produzenten ausgetauscht, haben eine ganze Menge Blumentöpfe untersucht und miteinander verglichen und waren auch schon zur Besichtigung in einer Spritzgussfabrik. Trotzdem konnten wir noch immer keinen finalen Produktionsauftrag vergeben. Das liegt an verschiedenen Herausforderungen, derer wir uns nicht bewusst waren und die unseren Fortschritt verlangsamt haben. Im Folgenden teilen wir eine Auswahl der Herausforderungen mit dir.
Herausforderung 1: Eine eigene Form für einen nachhaltigen Blumentopf ist zu riskant und teuer
Die Idee: Wir entwerfen mit einem coolen Designer ein peppiges Design mit hohem Wiedererkennungswert, das gleichzeitig alle Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllt.
Problem: Für die sinnvollste Verarbeitungsmethode von recyceltem Kunststoff (Spritzguss) werden teure Formen benötigt. Die Entwicklung einer neuen Spritzguss Form kostet mindestens 3000€, je nach Qualität auch über 100.000€. Wenn wir eine Form für ein komplexes eigenen Design entwerfen lassen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Form nicht wie erwünscht funktioniert und wir eine neue Form herstellen müssen. Das Risiko besteht zweifach, da wir sowohl für Untersetzer als auch für die Blumentöpfe eine Form benötigen.
Fazit: Das Risiko, eine eigene komplexe Form entwickeln zu lassen ist für uns 2024 noch zu hoch und wir müssen mit einer simpleren Form anfangen oder eine bestehende Form ausleihen.
Herausforderung 2: Bestehende Formen ergeben keine hochwertigen & nachhaltigen Blumentöpfe oder sind nur bedingt kompatibel
Die Idee: Wenn wir noch nicht bereit sind, eine eigene Form zu entwerfen, dann suchen wir uns einfach eine bestehende Form und lassen aus dieser die (Meeres)müll Blumentöpfe gießen.
Problem: Es gibt nur sehr wenige Formen, die unseren Anforderungen gerecht werden: Wir wollen einerseits einen hochwertigen, optisch ansprechenden Topf entwerfen. Viele Spritzgussformen für Blumentöpfe sind allerdings für die Herstellung von sehr dünnwandigen Wegwerf-Töpfen gedacht. Bei solchen dünnen Töpfen kann (Meeres)kunststoff Rezyklat aufgrund seiner minderwertigen Eigenschaften nicht herangezogen werden. Außerdem wollen wir, dass unsere Anzuchtsets ein hochwertiges Gefühl erzeugen, wofür der Blumentopf sich auch wertig anfühlen soll. Auf der anderen Seite gibt es einige Spritzgussformen für Übertöpfe. Aber auch Übertöpfe widersprechen unseren Nachhaltigkeitszielen. Für jeden Übertopf ist ein Untertopf notwendig und damit entsteht zusätzlich unnötiger Müll.
Fazit: Für die erfolgreiche Verarbeitung von (Meeres)plastik Rezyklat haben wir bei der Form keine großen Auswahlmöglichkeiten und müssten wahrscheinlich einen optischen Kompromiss eingehen.
Herausforderung 3: Meeresmüll Rezyklat lässt sich für unsere Unternehmensgröße nicht einfach und zu marktfähigen Preisen einkaufen
Die Idee: Wir kontaktieren einen bekannten Anbieter von Meeresmüll Rezyklat und kaufen das Rezyklat zu einem marktfähigen Preis ein.
Das Problem: Die Recyclingunternehmen verkaufen ihr Granulat erst ab Abnahmemengen von zweistelligen Tonnenbeträgen (das entspräche 100.000 oder mehr Blumentöpfen..). Der reguläre Weg ist in unserem Fall der Einkauf über einen Zwischenhändler. Bei unserer Abnahmemenge zahlen wir für das recycelte Material einen sehr hohen Preis von fast 10€/kg. Zum Vergleich: virginer (also frischer) Kunststoff kostet bei entsprechender Abnahmemenge ungefähr 2€/Kilogramm und lässt sich wesentlich einfacher verarbeiten.
Fazit: Wir haben den hohen Preis in Kauf genommen und das Material zum Testen eingekauft.
Herausforderung 4: Der recycelte Meeresmüll lässt sich nicht wie erwartet verarbeiten
Die Idee: Wir schicken das Meeresmüll-Granulat zu einem Spritzguss-Produzenten für Blumentöpfe und lassen unsere benötigte Menge produzieren.
Das Problem: Viele Spritzguss-Produzenten möchten nicht mit Meeresmüll Rezyklat arbeiten (Sorge vor Komplikationen bei der Produktion). Bei den Produzenten, die für uns aus Meeresmüll Rezyklat einen Blumentopf spritzgießen würden, müssen wir Abstriche beim Design und der Wertigkeit des Blumentopfes machen. Bei der Testreihe mit dem Rezyklat hat sich gezeigt, dass das Meeresmüll Rezyklat mit den getesteten Spritzgussformen nicht funktioniert. Ohne die Zugabe weiterer Chemikalien (wollen wir nicht) wird die Produktion auf diese Weise nicht funktionieren.
Fazit: Für die Verarbeitung des Meeresmüll Rezyklats müssten wir den riskanten Weg einer eigenen Form gehen. Mit bestehenden Spritzguss-Formen wird die Produktion entweder aus optischen, funktionellen oder umweltökologischen Gründen nichts.
So geht es weiter
Trotz der Herausforderungen arbeiten wir weiter an einem möglichst nachhaltigen Blumentopf. Folgende Möglichkeiten für die Produktion unseres Blumentopfes sind derzeit noch im Rennen:
Option A: Wir bleiben bei unseren aktuellen Bambusfasertöpfen. Die Blumentöpfe können wir in verschiedenen Farben anbieten und wissen bereits, dass sie sich sehr gut zur Anzucht von Zimmerpflanzen eignen. Aus umweltökologischer Perspektive binden die Blumentöpfe CO2 in Form von Bambusfasern und Maisstärke und sind lange haltbar und damit wiederverwenbar. Auf der anderen Seite werden die Töpfe in China produziert und ein Bindeharz auf Erdölbasis muss angewendet werden, um die Maisstärke und Bambusfasern miteinander zu binden.
Option B: Wir integrieren im Anzuchtset zwar neue Blumentöpfe aber wenden uns vom recycelten Kunststoff ab und statten unsere Anzuchtsets stattdessen mit einfachen Tontöpfen aus. Ton ist in unserem nachhaltigen Materialranking nach recyceltem Kunststoff auf dem 2. Platz und die Töpfe könnten sogar in Deutschland produziert werden. Auf der anderen Seite gehen Tontöpfe oft zu Bruch und sie haben damit voraussichtlich keine lange Lebenszeit. Außerdem würde es sich bei den Töpfen um ganz normale Tontöpfe ohne weiteren Wiedererkennungswert handeln.
Option C: Wir arbeiten mit einer NGO zusammen, die in Asien Müll aus den Regenwäldern einsammelt und daraus sehr hübsche und hochwertige Blumentöpfe herstellt. Die besonderen Blumentöpfe passen unserer Meinung nach sehr gut zu unserem Anzuchtsets und würden auch alle Kriterien der Nachhaltigkeit erfüllen, allerdings liegen die Produktionskosten ungefähr 4fach über den Produktionskosten für alle anderen Optionen und wir müssten den Preis unseres Anzuchtsets erhöhen, um die Kosten tragen zu können.