Dieser Beitrag hilft dir dabei nachhaltiges Recycling zu verstehen. Wir beginnen mit den Gründen für Recycling, unterscheiden zwischen den Begriffen recycelt und recycelbar und tauchen dann tiefer in verschiedene Recyclingverfahren und Quellen für Recyclingmaterial ein. Das Ziel des Beitrages ist eine leicht verständliche und umfassende Einführung ins Recycling. Der Beitrag unterstützt Verbraucher bei ihren Kaufentscheidungen bezüglich Recycling-Produkten und vereinfacht kleinen Unternehmen eine Abwägung über den Einsatz von Rezyklaten. Am Ende dieses Beitrages verstehst du Recycling sehr gut und kannst einen kleinen Beitrag zu einer besseren Welt leisten.
Inhalt
- Einführung
- Recycelte Produkte gegen das Müllproblem
- Recycelte Produkte bringen viel mehr als recycelbare Produkte
- Recycling ist nicht gleich Recycling: Übersicht der Verfahren
- Kunststoff-Rezyklat lässt sich aus Industrieabfällen, Konsumentenabfällen oder aus der Natur gewinnen
- Rezyklate sind keine wirtschaftliche Lösung und es gibt weitere Recycling-Probleme
- Rezyklaten sollte so wenig wie möglich zugesetzt werden
- Verbrauchersicherheit lässt sich durch Aufklärung, Zertifikate und transparente Kommunikation steigern
- Fazit
Einführung
Ursprünglich wollten wir einen Beitrag über die Machbarkeit und Sinnhaftigkeit von Blumentöpfen aus recyceltem Kunststoff als dritten Teil unserer Analyse zu nachhaltigen Blumentöpfen verfassen. Bei der Recherche haben wir allerdings recht schnell gemerkt, dass das Thema Recycling umfangreicher ist, als wir gedacht haben. Wir konnten keine Quelle finden, die das Thema in allen seinen Teilaspekten objektiv herunterbricht und damit einem breiten Publikum erlaubt, Recycling besser zu verstehen. Hier haben wir eine Chance gesehen, wichtige Aufklärung zu betreiben. Eine Vermengung mit dem Thema „recycelte Blumentöpfe“ hätte sicherlich verwirrt. Daher beschäftigen wir uns in diesem Beitrag ausschließlich mit den Grundlagen des Recyclings und interessierte Leser und Leserinnen können separat nachlesen, wie wir auf Basis unserer Recycling-Erkenntnisse nachhaltige und recycelte Blumentöpfe entwickeln.
Recycelte Produkte gegen das Müllproblem
Jedes Jahr werden in Europa 60.000.000 Tonnen Kunststoff produziert. Der Kunststoff wird in Produkten und deren Verpackungen verwertet und nach einiger Zeit entsorgt. Die Entsorgung ist jedoch alles andere als einfach und stellt die Menschheit vor riesige Schwierigkeiten:
1. Kunststoff-Müll, der in der Natur landet, gibt kontinuierlich Chemikalien und Mikroplastik ab und gefährdet damit die Ökosysteme und die Artenvielfalt. Jedes Jahr landen ungefähr 10.000.000 Tonnen Kunststoff im Meer. Daran sind nicht nur Entwicklungsländer „schuld“, denn auch ungefähr 150.000 – 500.000 Tonnen oder ungefähr 3% des europäischen (und auch deutschen) Kunststoff-Mülls enden in den Ozeanen.
2. Kunststoff, der verbrannt wird, verursacht CO2 und CO2 äquivalente Emissionen. Außerdem können giftige Gase entstehen, wenn die Verbrennung nicht mit moderner Technik kontrolliert wird. In Deutschland werden ungefähr 50 Prozent aller Kunststoffabfälle verbrannt.
3. Mülldeponien verbrauchen viel Platz und können die Entwicklung von Krankheitserregern fördern oder es können sich klimaschädliche Gase wie Methan entwickeln. Da die Menschheit erst seit ungefähr 60 Jahren massenweise Kunststoff produziert, lässt sich noch nicht genau abschätzen, wie lange eine natürliche Zersetzung der Kunststoffe dauert. Für die meisten Kunststoffe wird eine Zersetzungszeit von 100 - 1000 Jahren angenommen. Deponien werden für Kunststoffe in Deutschland kaum noch verwendet, aber sind in anderen Ländern oft in Verwendung. Da wir ungefähr 10% unseres Kunststoff-Mülls in andere Länder exportieren, landet auch unser Müll auf Deponien.
4. Das Recycling alten Kunststoffes (ca. 45 Prozent des Mülls) ist ein aufwendiger Prozess, der zu Rezyklaten mit verschiedenen Einschränkungen führt (dazu später mehr). Oft ist die umweltschädliche Neuherstellung von Kunststoff aus Erdöl günstiger und liefert gleichzeitig höherwertiges Material. Außerdem ist das, was als Recycling bezeichnet wird hauptsächlich Downcycling, also die Verwendung des abfallenden Kunststoffes für stofflich niedrigwertigere Produkte. Nur ungefähr 5-7 Prozent des Mülls in Deutschland werden wirklich recycelt.
Da die Entsorgung von Kunststoffen mit vielerlei Problemen verbunden sollte unbedingt weniger virginer, also neu produzierter Kunststoff in den Umlauf gebracht werden. Ebenso so problematisch wie die Entsorgung von Kunststoffen ist deren Produktion. Notwendig sind der Einsatz von:
- viel Energie
- Erdöl und/oder landwirtschaftlichen Monokulturen
- häufig umweltschädlichen Additiven, die in problematischer Wechselwirkung mit der Umwelt stehen können
Durch den Ersatz virgines Kunststoffes durch recycelten Kunststoff kann sichergestellt werden, dass die Gesamtmenge an Kunststoff-Müll weniger schnell zunimmt. Gleichzeitig werden Energie und Ressourcen gespart. Die Studienlage zeigt sehr eindeutig, dass Recycling aus Nachhaltigkeitsaspekten stark zu bevorzugen ist. So können z.B. im Gegensatz zur Neuproduktion Energieeinsparungen von bis zu 90% realisiert werden.
„Recycelte“ Produkte bringen viel mehr als nur „recycelbare“ Produkte
Der Unterschied zwischen den Begriffen „recycelbar“ und „recycelt“ liegt auf der Hand. Während der Kunststoff recycelbarer Produkte theoretisch wiederverwertet werden könnte, wurde für recycelte Produkte tatsächlich alter Kunststoff neu verwertet. Trotz des klaren Unterschiedes lassen sich die beiden Begriffe recht einfach vermengen, worauf einige Hersteller zur Vermarktung ihrer Produkte zu setzen scheinen. Da mit genügend Aufwand fast jedes Material eines Produktes recycelbar ist, ist diese Bezeichnung nicht besonders aussagekräftig. Für Produkte, die nur recycelbar und nicht recycelt sind, wird zusätzlicher Kunststoff synthetisiert und am Lebensende des Produktes entsteht weiterer Müll. Aus unserer Sicht sollte „recycelbar“ daher kein besonderes Verkaufsargument, sondern eher eine einfache Mindestanforderung an die meisten Produkte sein.
Produkte aus recyceltem Kunststoff hingegen schaffen eine Nachfrage nach Kunststoff-Müll. Dadurch kann der Einsatz anderer schädlicher Müllentsorgungsverfahren reduziert werden und gleichzeitig wird die weltweite Gesamtmenge an Kunststoff nicht erweitert. Durch mehr Nachfrage nach Kunststoff Rezyklaten, kann der Preis für recycelten Kunststoff steigen und damit das tatsächliche Recyceln von Kunststoff einerseits profitabel werden und andererseits weiterentwickelt werden, um bestehende Recyclingprobleme zu beheben.
Recycling ist nicht gleich Recycling: Übersicht der Verfahren
Wenn man sich genauer mit dem Recycling von Kunststoff beschäftigt, dann wird klar, dass es verschiedene Möglichkeiten der Verwertung gibt. Jede Verwertungsmöglichkeit ist aus umweltökologischer Perspektive unterschiedlich zu betrachten und ist zu unterschiedlichen Zeitpunkten angebracht.
1. Primäres Recycling (mechanisch, „echtes“ Recycling) – 5-7% Anwendung
Primäres Recycling findet statt, wenn aus dem recycelten Kunststoff wieder ein gleichwertiges Produkt entsteht. Dafür muss der recycelte Kunststoff sehr sortenrein sein und wenig Kontamination durch z.B. andere Kunststoffe oder Essensreste aufweisen. Primär recycelter Kunststoff kann unter Umständen kaum von virginem (neuen) Kunststoff zu unterscheiden sein und ist damit sehr attraktiv. Allerdings lässt sich primär recycelbarer Kunststoff nur begrenzt aus unserem Entsorgungssystem herstellen. In Deutschland werden z.B. PET-Einwegflaschen primär recycelt. Da in jedem Recyclingzyklus von Kunststoffen etwas Qualität des Kunststoffes verloren geht, werden Kunststoffe niemals ausschließlich primär recycelbar sein.
2. Sekundäres Recycling (mechanisch, Downcycling) – ca. 40% Anwendung
Beim sekundären Recycling wird ein Kunststoff-Rezyklat zur Herstellung von weniger hochwertigen Produkten verwendet als in der vorherigen Anwendung. Produkte aus downgecycelten Kunststoffen können z.B. versteckte Trägerteile oder Bahnschienen aus Mischkunststoff sein. Sekundär recyceltes Material hat schwächere Materialeigenschaften, z.B. kann es farbliche Abweichungen geben, das Material weniger robust sein oder sogar unangenehm riechen. Während diese Recyclingform weniger attraktiv ist, handelt es sich hierbei um die aktuell am realistischsten umsetzbare Recyclingform. Aufgrund von zu starken Materialverunreinigungen und technischer Limitationen bei der Sortierung wird ein Großteil des sortierten Kunststoffes in dieser Form recycelt.
3. Tertiäres Recycling (chemisch, Rohstoffrückgewinnung) - <1% Anwendung
Eine dritte und noch kaum angewandte Form des Recyclings ist das chemische Recycling. Im Gegensatz zu den vorherigen beiden Verfahren wird der alte Kunststoff beim chemischen Recycling durch verschiedene Prozesse (z.B. Pyrolyse) unter dem Einsatz von viel Energie in seine Ursprungsstoffe zurückgesetzt. Auf diese Weise können die Ursprungsstoffe erneut zu hochwertigen virginen Kunststoffen verwertet werden ohne weiteres Erdöl einsetzen zu müssen. Das Verfahren ist allerdings sehr kosten- und energieintensiv und bedarf noch weiterer Entwicklung
4. Quartäres Recycling (energetisch, Verbrennung) - ca. 50% Anwendung
Das quartäre Recycling oder die Verbrennung von Müll als Recycling zu bezeichnen ist etwas beschönigend, aber immerhin kann die Energie, die im Kunststoffmüll enthalten ist, noch verwertet werden und es wird verhindert, dass Mikroplastik oder andere Schadstoffe in die Umwelt abgegeben werden. In Deutschland wird die Müllverbrennung z.B. für die Energieerzeugung bei Zementwerken herangezogen. Allerdings erzeugt die Verbrennung dieser „Ersatzbrennstoffe“ weitere Emissionen und verwertet die Energie des Mülles ineffizient.
Die unterschiedlichen Verfahren sind in ihren Umweltverträglichkeit von oben nach unten zu bewerten. Primäres Recycling ist am attraktivsten, während quartäres Recycling am wenigsten attraktiv ist. Allerdings ist nicht jeder Kunststoffmüll primär recycelbar und damit wird der Einsatz anderer Verfahren zwangsläufig notwendig.
Zur Vervollständigung der obigen Rangliste, könnte vor dem primären Recycling das Prinzip der Wiederverwendung bestehender Produkte stehen. Vor der Wiederverwendung wiederum die Reduktion von eingesetztem Kunststoff. Hinten anzusiedeln wären Deponien und das Schlusslicht würde nicht gemanagter Müll sein – also in die Natur geleakter Müll.
Kunststoff-Rezyklat lässt sich aus Industrieabfällen, Konsumentenabfällen oder aus der Natur gewinnen
Je nach Qualitätsanspruch an den recycelten Kunststoff (Rezyklat) kommen verschiedene Bezugsquellen in Frage. Es lässt sich zwischen Post-Industrial-Rezyklaten (PIR), Post-Consumer-Rezyklaten und naturgebundenem Kunststoff (oft ozean-gebunden – OBP) unterscheiden.
Post-Industrial-Rezyklat
Das hochwertigste Rezyklat lässt sich aus Industrieabfällen herstellen. Die Industrieabfälle sind in der Regel sehr homogen in ihrer Zusammensetzung, ohne eine starke Kontamination mit anderen Materialien aufzuweisen. Daher ist das daraus gewonnene Rezyklat für ein primäres Recycling mit sehr guten Materialeigenschaften geeignet. In Lebenszyklusanalysen (LCA) ist der umweltökologische Fußabdruck dieses Rezyklates am geringsten. Die Nachfrage ist aufgrund der Reinheit dieses Rezyklates am höchsten und das PIR wird bereits von vielen Unternehmen angewendet, da seine Verarbeitung sehr ähnlich zu virginem Kunststoff ist. Eine Anwendung dieses Rezyklates ist im Vergleich zu virginem Kunststoff positiv zu bewerten, aber trägt nicht wirklich zum bestehenden Problem bei: Kaum jemand verwertet den unsauberen recycelten Kunststoff, der dadurch eher in die Umwelt „leaked“ oder verbrannt/deponiert werden muss.
Post-Consumer-Rezyklat
Post Consumer Rezyklat wird aus den gesammelten Abfällen der Müllentsorgung hergestellt und ist weniger hochwertig als Post-Industrial-Rezyklat. Für die Verarbeitung zu Produkten müssen Produktionsabläufe an das Rezyklat angepasst werden. Dadurch wird ein hoher Grad an Einarbeitung notwendig, um auf dieses Rezyklat umzustellen. Es lassen sich für PCR noch weitere Abstufungen machen. So eignet sich recyceltes Polyethylen (PE) aus PCR aufgrund einer relativ hohen Reinheit für primäres Recycling. Das Recycling von PE aus PCR schneidet umweltökologisch gesehen in fast allen Kategorien besser als die Herstellung aus virginem Kunststoff ab, allerdings wird mehr Wassereinsatz aufgrund der hohen Reinigungskosten benötigt. Weniger sauber werden weitere Kunststoffe recycelt: Umso verschiedener die Zusammensetzung des Rezyklates, desto schlechter die Anwendbarkeit dieser Mischkunststoffe.
Rezyklat aus naturgebundenem Kunststoff
Die Kunststoffabfälle für naturgebundene Rezyklate werden in der Regel durch Sammelaktionen aus der Natur gewonnen. Der Fokus liegt häufig auf ozeangebundenen Kunststoffen, da das öffentliche Interesse hier am stärksten ist. Die Rezyklate haben die schlechteste Qualität, da die Polymere des Kunststoffs in der Regel bereits durch mechanische Abnutzung und UV-Strahlung weiter zersetzt wurden als bei den anderen Quellen. Die Qualität schwankt außerdem von Charge zu Charge stark, da in der Regel verschiedene Bezugsquellen herangezogen werden. Theoretisch können naturgebundene Kunststoffe durch selektives Sammeln aufgewertet werden, was jedoch den Aspekt der Müll-Säuberung untergräbt. Weiterhin ist OBP in der Regel aufgrund des hohen Sammlungsaufwands bei schlechterer Qualität gleichzeitig teurer als Rezyklate aus den anderen beiden Quellen. Für eine breitere Anwendung muss daher auf Konsumentenseite auch eine höhere Zahlungsbereitschaft gegeben sein. Nach Lebenszyklusanalysen schneidet OBP schlechter als PCR und PIR ab, aber ist immer noch ökologischer sauberer als virginer Kunststoff.
Die Menge an Müll, der in die Natur geworfen wird, korreliert negativ mit dem Wohlstand eines Landes: Je höher das Bruttoinlandsprodukt desto weniger Müll landet in der Natur.
Während Lebenszyklusanalysen bereits einen groben Überblick über die umweltökologischen Folgen von den verschiedenen Rezyklaten geben, muss beachtet werden, dass sie nur einen Teil der Wahrheit abbilden. Nicht alle umweltökologischen Aspekte werden in den Analysen quantifiziert. Zum Beispiel fehlt es im Moment an einer einheitlichen Methodik, um die Risiken von Mikroplastik und anderen Begleiterscheinungen von in der Umwelt befindlichen Kunststoff zu messen. Während das genaue Risiko dieser Aspekte noch weiter erforscht wird, lässt sich schon jetzt sagen, dass es sich um ein weiteres großes Problem handelt.
Lebenszyklusanalysen bilden nicht die ganze Wahrheit ab: Es kommen vielerlei Annahmen zusammen und nicht alle ökologischen Dimensionen können quantifiziert werden. Durch die Änderung der angenommen Transportwege oder des Verwertungssystems kann sich der errechnete umweltökologische Fußabdruck eines Rezyklates nochmal weitgehend verschieben.
Rezyklate sind keine wirtschaftliche Lösung und es gibt weitere Recycling-Probleme
Für die erfolgreiche Verwendung von recyceltem Kunststoff sind in der Regel stofflich einheitliche Rezyklate notwendig. Bei Verschmutzungen von weniger als 5-10 Prozent lassen sich die Rezyklate noch sehr gut einsetzen. Sind die Verschmutzungen höher als 30 Prozent werden Rezyklate nur noch schwer einsetzbar. Hohe Rezyklat-Reinheiten zu erzielen ist allerdings mit einem sehr hohen Aufwand und dementsprechend auch mit hohen Kosten verbunden. Solange virgine Kunststoffe günstiger und qualitativ hochwertiger sind als Rezyklate, kann hier nur eine absichtliche Entscheidung für die „schlechtere Wahl“ zu Gunsten von umweltökologischen Aspekten zum Einsatz von Rezyklaten bewegen. Die Entscheidung für recycelten Kunststoff können behindert werden durch:
- schwächere Materialeigenschaften als virgine Kunststoffe (Ästhetik, Geruch, verarbeitungsrelevante Eigenschaften, …)
- schwankende Materialeigenschaften von Lieferung zu Lieferung
- nicht einsetzbar in allen Bereichen (z.B. Lebensmittelverpackungen)
- schlechtere Anpassung der Kunststoffe durch Additive, wegen ggf. unbekannten Reaktoren im Rezyklat
- notweniges Neudesign aufgrund der ersten beiden Punkte: z.B. Erhöhung der Wandstärken von recycelten Blumentöpfen (Overengineering)
- notwenige Anpassung der Produktionsprozesse aufgrund der ersten beiden Punkte: Die Produktionsverfahren müssen an die neuen Materialeigenschaften angepasst werden
- mehr Materialeinsatz notwendig
- Akkumulation von Schadstoffen über mehrere Recyclingzyklen
- unvorhersehbare Materialveränderungen über Zeit
- unter der Berücksichtigung aller Aspekte kann der Einsatz vom unterlegenen Rezyklat (erheblich) teurer sein als der Einsatz von virginen Kunststoffen
Es wird ersichtlich, dass die Auswahl von Rezyklaten momentan keine wirtschaftliche Entscheidung ist. Unternehmen, die Produkte aus recyceltem Kunststoff anbieten wollen, müssen zumindest anfangs mit einem erheblichen Zusatzaufwand bei der Entwicklung rechnen. Es müssen vielerlei Probleme bedacht und gelöst werden, um ein vermarktungsfähiges recyceltes Produkt anbieten zu können. Gleichzeitig sind die Materialeigenschaften des Produktes aus Recyclingmaterial denen eines neuen Produktes unterlegen. Somit müssen auch Konsumenten die Bereitschaft aufweisen z.B. für einen Blumentopf aus recyceltem Material mehr zu zahlen als für herkömmliche Blumentöpfe.
Rezyklaten sollte so wenig wie möglich zugesetzt werden
Beim Einsatz von recycelten Kunststoffen stellt sich die Frage, inwieweit das Rezyklat durch die Zugabe weitere Stoffe aufgewertet werden muss. Eine Aufwertung ist möglich durch:
Füller (z.B. Talk und andere Minerialien): Das Rezyklat kann durch den Zusatz hochwertiger wirken (z.B. Steinoptik) aber wird durch die Zusätze schlechter recycelbar und bindet weniger Rezyklat und mehr höherwertige Rohstoffe.
Virginer Kunststoff: Die Eigenschaften des Rezyklates können auf diese Weise verbessert und an die Eigenschaften von virginem Kunststoff angenähert werden. Dafür muss zusätzlicher Kunststoff synthetisiert werden.
Additive: Jedem virginem Kunststoff werden Additive zugesetzt, um die typischen Kunststoff-Eigenschaften zu erhalten. Dies ist in der Regel auch bei Rezyklaten notwendig. Es gibt tausende Additive, deren Wechselwirkung mit der Natur zurzeit nur begrenzt verstanden werden. Da Additive über Zeit an die Umwelt abgeben werden können sollten sie reduziert eingesetzt werden.
Zusammenfassend sollte das Rezyklat so wenig Zusätze wie möglich und so viele Zusätze wie nötig enthalten. Weniger Zusätze bedeuten einen besseren ökologischen Fußabdruck des Produktes. Zusätze können allerdings notwendig werden, um eine gewisse Persistenz des recycelten Produktes zu gewährleisten.
Verbrauchersicherheit lässt sich durch Aufklärung, Zertifikate und transparente Kommunikation steigern
Eine sehr wichtige Voraussetzung für den Ausbau der Recyclingquote ist das Verständnis und Problembewusstsein von Verbrauchern. Ohne dass Verbraucher Produkte aus recyceltem Material bevorzugen und grob bewerten können, sind größere Verbesserungen im Recycling aus unserer Sicht schwer erreichbar. Wenn Verbraucher die Recyclingbemühungen eines Anbieters aufgrund fehlender Aufklärung nicht honorieren können, muss der Hersteller bei günstigeren Alternativmaterialien bleiben. Aufgrund der hohen Komplexität des Recyclings ist es für Verbraucher allerdings schwierig eine Bewertung vorzunehmen. Vor allem in Bezug auf die Recyclingquote tappen Verbraucher zumeist im Dunklen. So können recycelte Produkte zwischen 0 und 100 % Rezyklat enthalten, was einen riesigen Unterschied macht. Auch die Herkunft des Rezyklates macht einen großen Unterschied, wie wir weiter oben gesehen haben. Eine Verbesserung kann durch weitere Aufklärung und eine bessere Regulierung erzielt werden. In absehbarer Zeit wird sich die Gesetzgebung auf EU-Ebene anpassen, so dass Hersteller zu bestimmten Quoten und Regelungen verpflichtet werden. Dies wird aus aktueller Sicht wahrscheinlich noch einige Jahre dauern, so dass vorerst eine gewisse Bildung der Verbraucher notwendig wird. Wir hoffen mit diesem Beitrag einen guten Überblick über das Thema für Verbraucher zu ermöglichen. Weiterhin kann die Sicherheit von Verbraucher anhand von Zertifizierungen und Transparenz bei Anbietern schon jetzt gesteigert werden.
Zertifikate: Es gibt verschiedene Zertifizierungssysteme für recycelte Produkte. So können z.B. von EuCertPlast der Recyclinganteil geprüft und eine gewisse Nachverfolgbarkeit des Rezyklates ermöglicht werden. Nachteil solcher Zertifizierungen ist, dass diese teuer und arbeitsintensiv ist. Daher ist es für kleine Unternehmen schwierig, eine solche Zertifizierung zu erlangen.
Transparenz: Eine weitere Möglichkeit zur Steigerung der Konsumentensicherheit besteht darin, dass transparent kommunizierende Unternehmen bevorzugt werden können. Unternehmen, die über ihre Herstellungsprozesse und Entscheidungskriterien berichten, ermöglichen interessierten Verbrauchern mehr Klarheit. Problematisch ist bei transparenter Kommunikation jedoch, dass Unternehmen nur selektiv oder sogar falsch berichten können, um beim Verbraucher einen besseren Eindruck zu machen.
Fazit
Nach unserer umfangreichen Recherche konnten wir einen guten Überblick über die verschiedenen Dimensionen des Recyclings liefern. Leser sind herzlich eingeladen Fragen und Kritik in den Kommentaren zu äußern. Unsere Quellen findest im letzten Abschnitt.
Hier sind 5 stark vereinfachte Takeaways aus unserer Analyse:
1. Schütz die Natur: Die Entsorgung von Kunststoffen ist sehr schwierig und mit vielen Problemen verbunden. Durch das Recycling alter Kunststoffe wird verhindert, dass dieser verbrannt, deponiert oder ins Meer gekippt wird.
2. Welches Recycling: Es gibt verschiedene Recyclingverfahren, von denen das primäre Recycling den hochwertigsten recycelten Kunststoff ermöglicht. Einen viel größeren Anteil am Recycling haben weniger wertige sekundär recycelte Kunststoffe. Durch bessere Trennverfahren kann primäres Recycling verbessert werden.
3. Hässliches Material?: Rezyklat lässt sich aus Industrie-, Konsumenten- oder in der Natur befindlichen Abfällen herstellen. Diese Quellen erzeugen unterschiedlich hochwertiges Rezyklat. Auch die weniger schönen Rezyklate aus Konsumentenabfällen oder Natursammlungen suchen Verwertungsmöglichkeiten.
4. Positiver Kreislauf: Umso mehr recycelter Kunststoff nachgefragt wird, desto besser werden die Recyclingverfahren und damit die Qualität des Rezyklats. Und damit steigt wiederum die Nachfrage, und damit die Qualität usw…
5. Nachhaltig aber nicht wirtschaftlich: Rezyklate sind virginen Kunststoffen in ihren Eigenschaften unterlegen und eine Umstellung auf die Produktion mit virginen Kunststoffen ist mit hohen Kosten verbunden.
6. Keine halben Sachen: 10% Rezyklatanteil und/oder recycelbare Produkte sind schon nicht schlecht, aber erst 100% recycelte Produkte bringen echte Veränderung.
Durch eine höhere Nachfrage und Zahlungsbereitschaft für recycelten Kunststoff kann nicht nur dessen Qualität nach und nach verbessert, sondern auch ein wichtiger Beitrag zum Naturschutz geleistet werden.
Wenn du ein Verbraucher bist, kannst du einen Beitrag leisten, indem du nach recycelten Produkten Ausschau hältst (obwohl diese evtl. nicht makellos sind)
Als Hersteller liegt dein Beitrag darin, Produkte aus recycelten Kunststoffen statt virginen Kunststoffen zu entwerfen (obwohl dies evtl. mit höheren Kosten für dich verbunden ist).
Quellen (ausklappen)
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