Der folgende Text ist eine sehr gründliche Analyse über die Nachhaltigkeit von Zimmerpflanzen. Wir versuchen, alle Aspekte über die gesamte Wertschöpfungskette bis hin zum Kauf zu beleuchten und neutrale Schlussfolgerungen zu formulieren. So viel schon einmal vornweg: Die meisten Zimmerpflanzen sind alles andere als nachhaltig. Trotzdem ist es uns wichtig zu betonen, dass wir riesige Zimmerpflanzenfans sind und keinesfalls dafür werben möchten, weniger oder sogar keine Zimmerpflanzen zu haben. Im Gegenteil: Wir setzen uns dafür ein, dass jeder Pflanzenliebhaber so viele Zimmerpflanzen hat, wie ihm beliebt und dass diese Zimmerpflanzen am Ende sogar positiv in ihrer Nachhaltigkeitsbilanz betrachtet werden können. Daher widmen wir, nachdem wir verschiedene Aspekte der Zimmerpflanzenproduktion analysieren und kritisieren, unseren letzten Abschnitt den Möglichkeiten eines jeden Lesers, die Nachhaltigkeit seiner Zimmerpflanzen positiv zu beeinflussen.
Wir haben unsere Analyse so stark vereinfacht und verkürzt wie möglich. Trotzdem ist der gesamte Text sehr lang. Daher folgt nach jedem Absatz eine kurze Zusammenfassung. Für alle Leser, die es ganz eilig haben, beginnen wir mit unseren Top 5 Erkenntnisse unserer Recherche.
Inhalt:
- TOP 5 Erkenntnisse (Nachhaltigkeit Zimmerpflanzen)
- Was ist nachhaltig und wann sind Zimmerpflanzen nachhaltig?
- Pestizidanteil und Chemieeinsatz bei Zimmerpflanzen
- Transport und Herkunft von Zimmerpflanzen
- Zimmerpflanzen Gewächshauszucht (Nachhaltigkeit)
- Zimmerpflanzen Substratzusammensetzung (Nachhaltigkeit)
- Müllverursachung durch die Zimmerpflanzenzucht
- Das Problem Einweg – Pflanzen
- CO2-Fußabdruck im gesamten Lebenszyklus von Zimmerpflanzen
- Möglichkeiten an nachhaltige Zimmerpflanzen zu kommen
TOP 5 Takeaways
- Alle untersuchten Zimmerpflanzen wurden mit vielen Chemikalien behandelt, die mitunter stark schädlich für Mensch, Tier und Umwelt sind.
- Die meisten Zimmerpflanzen in Deutschland (ca. 80%) werden aus dem Ausland (oft Entwicklungsländer) importiert. Die Umstände, unter denen die Pflanzen gezüchtet wurden, sind oft problematisch oder nicht verfolgbar.
- In den meisten Substraten ist Torf enthalten, durch dessen Abbau wichtige Biotope zerstört werden und CO2e freigesetzt wird.
- Der CO2-Fußabdruck der meisten Zimmerpflanzen liegt bei 1,5 – 6 kg CO2e. Berücksichtigt man die Abholung durch den Endverbraucher sind die Emissionen viel höher.
- Durch gute Pflege, Pflanzentausch, Ableger oder die eigene Anzucht von Zimmerpflanzen können nachhaltige Zimmerpflanzen gewonnen werden. Auch Substrat, Pflanztöpfe und andere Hilfsmittel sind umweltfreundlich zu erwerben.
Was ist nachhaltig und wann sind Zimmerpflanzen nachhaltig?
Okay, dann müssen wir jetzt wohl mit einer klobigen Definition anfangen. Wir versprechen, es bleibt bei dieser einen Definition. Das Bundesentwicklungsministerium definiert Nachhaltigkeit folgendermaßen:
Nachhaltigkeit (…) bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden. Weiter werden die 3 gleichberechtigten Dimensionen der Nachhaltigkeit, nämlich die wirtschaftliche Effizienz, soziale Gerechtigkeit und ökologische Tragfähigkeit aufgezählt.
Wir sehen also, dass Nachhaltigkeit sich nicht nur auf die Umweltfreundlichkeit bezieht, sondern zum gleichen Anteil auch auf wirtschaftliche und soziale Aspekte. Du interessiert dich sicher hauptsächlich für die Umweltfreundlichkeit, wenn du das liest. Nachhaltigkeit wird nun einmal im allgemeinen Sprachgebrauch oft mit Umweltfreundlichkeit gleichgesetzt. Daher werden auch wir unseren klaren Fokus auf die Umweltfreundlichkeit von Zimmerpflanzen legen und die beiden anderen Aspekte der Nachhaltigkeit weniger ausführlich behandeln. Nun bleibt die Frage, wie sich Nachhaltigkeit bzw. Umweltfreundlichkeit messen lässt.
Wir halten es nicht für sinnvoll, Umweltfreundlichkeit nur anhand des CO2 Ausstoßes zu bemessen und sprechen uns eindeutig dafür aus, Nachhaltigkeit anhand verschiedener Faktoren zu beurteilen. Wir orientieren uns hierfür an den ökologischen Grenzen, wie sie beispielsweise von Raworth’s Donut-Ökonomie herangezogen werden. Die Balken stellen die jeweilige Ausprägung der Zerstörung der einzelnen Faktoren dar:
In manchen Fällen müssen wir unsere Analyse auf den CO2 Ausstoß reduzieren, da die meisten wissenschaftlichen Arbeiten einen Fokus auf den CO2 Ausstoß legen. Hierzu sei gesagt, dass der CO2 Ausstoß auch Aufschlüsse über andere Parameter zulassen kann. Z.B. entsteht bei der Herstellung von Kunststoff CO2 und im CO2 Ausstoß ist daher auch die Müllentstehung teilweise widergespielt. Also, auf geht’s. Legen wir los!
Pestizidanteil und Chemieeinsatz bei Zimmerpflanzen
Bei der Züchtung von Zimmerpflanzen kommen vielerlei Chemikalien zum Einsatz. Das sind z.B. verschiedene Kunstdünger (oft auf Erdölbasis), Strauchungsmittel (halten die Pflanze künstlich kompakt und gleichzeitig blatt- und blütenreich) und die ganze Palette an Pestiziden, Herbiziden, Fungiziden und anderen …ziden. Diese Chemikalien sind zum einen für die Arbeiter und Arbeiterinnen in den Anbauländern riskant. So gehören Kontaktallergien bei Floristen oft zu Berufskrankheiten. Zum anderen sollten sich auch die Endverbraucher über die Chemikalienbelastung ihrer Pflanzen Gedanken machen, da die Pflanze im ständigen Austausch mit der Umgebung steht und somit auch Chemikalien über die Luft in die Wohnung abgegeben werden können. Außerdem kommt es für stark chemisch behandelte Pflanzen einem Schock gleich, wenn sie nach dem Kauf auf einmal keine chemische Behandlung mehr erfahren. Daher gehen gekaufte Pflanzen manchmal direkt ein oder verlieren Blätter.
Für den Schädlingsbefall zuhause haben wir eine Liste mit selbst herstellbaren Bio Pestiziden veröffentlicht
Pro Hektar Anbaufläche kommen in Gewächshäusern je nach Studie, Land und Anbaupflanze zwischen 24kg und 31kg Pestizide, Fungizide und Herbizide zum Einsatz. Bei Chrysanthemen sind das auf 1000 Pflanzen gesehen zum Beispiel ca. 320g Fungizide und 100g Herbizide. Besonders problematisch ist hier, dass schätzungsweise 30-50% dieser Chemikalien die Gewächshäuser über die Luft verlassen und das umliegende Ökosystem schädigen.
Eingesetzte Chemikalien wie z.B. Acephat, Methiocarb, Monocrotophos, Methomyl oder Deltamethrin können das Nervensystem von Konsumenten und Floristen schädigen.
In einer Studie des BUND und Global 2000 aus dem Jahr 2022 wurden 44 Proben von Zierpflanzen aus Deutschland und Österreich auf Pestizidrückstände überprüft. Die untersuchten Pflanzen waren im Durchschnitt mit 7,7 unterschiedlichen Pestiziden belastet und auf 38 der 44 Zierpflanzen wurden Pestizide nachgewiesen, die besonders schädlich für die menschliche Gesundheit sind und beispielsweise krebserregend, organschädigend oder fortpflanzungsschädigend wirken können. Bei 17 Pflanzen wurden Pestizide ohne EU-Zulassung nachgewiesen und auf 18 Pflanzen wurden hoch bienenschädliche Pestizide gefunden. Besonders problematisch ist hier, dass die untersuchten Pflanzen teilweise sogar explizit als bienenfreundlich gekennzeichnet wurden. Keine der aus Deutschland bezogenen Pflanzen war frei von Pestiziden. Zu ähnlichen Ergebnissen kam Greenpeace bereits im Jahr 2014.
Kurz und knapp: Zimmerpflanzen sind sehr umfangreich mit einer breiten Palette an Chemikalien behandelt, die mitunter stark gesundheitsschädlich für Mensch und Tier sind. Der Endverbraucher sollte unbedingt darauf achten, möglichst chemikalienfreie Zimmerpflanzen zu kaufen, um sich selbst und die Umwelt zu schützen.
Transport und Herkunft von Zimmerpflanzen
Die Herkunft der meisten Zimmerpflanzen ist leider fast unmöglich zu bestimmen. Seit 2019 ist zwar der Pflanzenpass für Topfpflanzen verpflichtend, der theoretisch die Herkunft von Zimmerpflanzen angeben soll, aber praktisch ist auf dem Pflanzenpass nur das Land zu sehen, in dem die Pflanze zuletzt gewachsen ist. Die wahre Herkunft ist in Wirklichkeit oft viel weiter entfernt. Ca. 80% der in Deutschland verfügbaren Zimmerpflanzen werden nämlich in wärmeren Ländern wie Costa Rica oder Äthiopien gezüchtet, in denen die Bedingungen für die Pflanzen optimal sind. Erst wenn sie eine bestimmte Größe erreicht haben, werden die Pflanzen dann nach Europa (meist in die Niederlande oder Spanien) gebracht und dort weiter gezüchtet.
Einerseits verursacht der Import der Pflanzen aus dem globalen Süden Emissionen und andererseits sind die Arbeitsbedingungen in diesen Ländern leider alles andere als ideal. Außerdem gelten außerhalb der EU oft wesentlich lockerere Richtlinien in Bezug auf die Pestizidnutzung. Das führt auch dazu, dass europäische Pflanzenschutzkonzerne ihre in Europa verbotenen Mittel ins Ausland verkaufen können und diese schädlichen Pestizide dann später wieder auf importierten Pflanzen nach Europa gelangen.
Zusätzlich sind die Anbaumethoden außerhalb der EU oft unbekannt. So könnten bedrohte Pflanzen wie seltene Orchideen-Arten oder Venusfliegenfallen einfach aus der Natur geraubt sein oder Anbauflächen könnten die natürliche Vegetation vor Ort verdrängen.
In Deutschland dürfen Gärtnereien nur künstlich vermehrte Orchideen anbieten. Diese Regelung exisitiert, um den Verkauf bedrohter Arten zu verhindern .
Eine gute Nachricht: Die Transportemissionen, die bei dem Import von Zimmerpflanzen aus dem globalen Süden entstehen, sind im Vergleich zur hiesigen Zucht noch recht moderat. Da die Pflanzen massenweise per Schiff oder Flugzeug transportiert werden, ist der CO2-Fußabdruck des Transportes häufig sogar kleiner als der CO2 Ausstoß, der durch regionale Gewächshäuser bei der Pflanzenzucht verursacht wird. Es kann für Pflanzenzüchter also nachhaltiger sein, Pflanzen im Ausland produzieren zu lassen, um Heizkosten in Gewächshäusern vor Ort zu sparen.
Kurz und knapp: Ein Großteil der in Deutschland angebotenen Zimmerpflanzen stammt aus Entwicklungsländern. Dort sind die Arbeitsbedingungen oft schlecht und es kann schwer nachverfolgt werden, unter welchen Umständen die Pflanzen gezüchtet wurden (Landraub, Absammlung bedrohter Arten, Einsatz gefährlicher Chemikalien, …)
Zimmerpflanzen Gewächshauszucht (Nachhaltigkeit)
Zimmerpflanzen werden teilweise oder vollständig in Gewächshäusern gezüchtet. Das kann Monate bis hin zu Jahren dauern und muss daher auch in unsere Nachhaltigkeitsanalyse einfließen. Das Beheizen von Gewächshäusern insbesondere über den Winter kostet in Europa leider Unmengen an Energie. Dabei sind größere Gewächshäuser noch etwas energieeffizienter als kleinere, da diese effizienter aufgeheizt werden können und pro Pflanze weniger Heizenergie nötig wird. Trotzdem haben Gewächshäuser im Lebenszyklus von Zimmerpflanzen den größten CO2-Fußabdruck. Je nach Studie und Pflanze tragen sie oft zu 73-95% der Emissionen im ganzen Produktionsablauf bei. Diese Emissionen können zumindest teilweise durch regenerative Energiequellen oder beispielsweise die Nutzung von Abwärme von Kraftwerken reduziert werden. Leider werden in Deutschland aber nur wenige Gewächshäuser energieneutral betrieben und es ist als Konsument nicht verfolgbar, ob die gekaufte Pflanze aus einem solchem Gewächshaus stammt.
Auch gibt es Freilandanzucht und Container-Anzucht als Mischung zwischen Freilandanzucht und Gewächshaus-Anzucht. Die emissions-, kunststoff- und chemikalienmildeste Anzuchtform ist hierbei die Freilandanzucht. Diese eignet sich jedoch für die meisten Zimmerpflanzen nicht, da die meisten Zimmerpflanzen tropische Bedingungen brauchen.
Zumindest in einem Punkt können Gewächshäuser punkten: Durch hoch spezialisierte Bewässerungsmethoden können sie im Vergleich zum Freilandanbau Wasser wesentlich effizienter nutzen.
Kurz und knapp: Die meisten Zimmerpflanzen benötigen durchgehend warm-feuchtes Klima, weshalb die Beheizung von Gewächshäusern große Mengen an Energie kostet und die meisten Emissionen bei der Anzucht von Zimmerpflanzen verursacht. Auf der anderen Seite kann in Gewächshäusern Wasser gespart werden.
Zimmerpflanzen Substrat (Nachhaltigkeit)
Das Substrat kann einen wichtigen Beitrag bei der Bindung von Kohlenstoff leisten. Je nach Zusammensetzung bindet das Substrat ungefähr 1-12% seines Gewichtes an Kohlenstoff. Das ist eine oft vernachlässigte größere Menge. Wichtig ist allerdings, dass dieser Kohlenstoff auch gebunden bleibt und nicht bei der nächsten Gelegenheit in Form von CO2 das Weite sucht (sehr vereinfacht gesagt). Außerdem bringt es unterm Strich nichts, wenn wir schon vorher gebundenen Kohlenstoff nehmen und daraus Substrat herstellen. Dann bleibt der Kohlenstoff zwar zumindest erstmal im Substrat gebunden, aber wir nutzen nicht das Potential des Substrates aus, neuen Kohlenstoff zu binden. Im Optimalfall können wir ein Substrat aus Kohlenstoff herstellen, der sonst zu CO2 abgebaut werden würde. Schauen wir uns das im Konkreten an:
Ein Positivbeispiel wäre ein Substrat, in das Kompost als organischer Anteil einfließt. Wird der Kompost als Teil des Substrates eingesetzt, dann bleiben Teile des Kohlenstoffes lange Zeit im Substrat konserviert.
Substrate können über die Zeit CO2 aus der Luft absorbieren oder auch CO2 abgeben. In einer Studie mit Parkerde dauerte es 50 Jahre, bis sich der CO2 Gehalt im Boden stabilisierte.
Problematischer ist der Einsatz von Torf in Substraten. Torf hat sehr gute wasserspeichernde Eigenschaften und wird daher häufig als organischer Anteil in Substraten verwendet. Allerdings wird Torf aus Mooren abgebaut und das Ökosystem Moor wird durch den Abbau zerstört. Moore speichern riesige Mengen an CO2, die durch den Torfabbau freigesetzt werden. Auf den Einsatz von Torf in Substraten sollte also, wenn möglich verzichtet werden.
In Deutschland wurde die Moorfläche durch Entwässerung der Moore und den Torfabbau auf nur noch 5% der ursprünglichen Moorflächen reduziert. Die Torfböden regenerieren sich zwar, aber nur sehr langsam mit wenigen Millimeter pro Jahr, weshalb die restlichen Flächen unbedingt zu schützen sind. Moore können auch einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten: Während sie nur 3% der Erdoberfläche bedecken, speichern sie ganze 30% allen gebundenen Kohlenstoffes auf der Erde.
Wir wollen jetzt nicht die Spielverderber sein, aber zu einer vollständigen Analyse gehören auch Probleme des Kompostes: Bei der Erzeugung von Kompost können auch weitaus klimaschädlichere Treibhausgase als CO2 wie Methan oder Lachgas entstehen. Allerdings führt an der Entsorgung von organischem Müll kein Weg vorbei und andere Entsorgungsmethoden wie Verbrennung oder Deponierung erzeugen laut Studien größere Umweltschäden als Kompostierung. Auch die Nutzung von Torf ist nicht zwangsläufig nur problematisch. Zumindest die Regeneration von in Deutschland und Österreich abgebauten Torfes wird über spezielle Maßnahmen gefördert. Da man schlecht prüfen kann, woher Torf stammt, bleibt man besser bei den Alternativen.
Wir wissen also, lieber Kompost als Torf. Und wie sieht es mit Kokosfasern aus? Kokosfasern werden von Kokosnüssen als Nebenprodukt gewonnen und haben eine sehr ähnliche Wasserspeicherfähigkeit wie Torf. Wenn für den Anbau von Kokospalmen kein zusätzlicher Regenwald abgeholzt werden musste und die Rechte von Farmern eingehalten wurden, dann sind Kokosfasern eine gute Alternative zu Kompost. Die Einhaltung dieser Standards lassen sich mithilfe von Fairtrade Siegeln weitgehend sicherstellen. Was bleibt sind jedoch weite Transportwege z.B. aus Sri Lanka.
Aufgepasst beim Substratkauf: Bio ist hier nicht geschützt, so dass auch nicht zertifizierte Produkte Bio-Substrat oder Bio-Erde genannt werden können. Daher sollte der Konsument auf vertrauenswürdige Siegel achten. Außerdem bedeutet „torfreduziert“ auf Substraten nicht, dass sie torffrei sind.
Kurz und knapp: Am besten wählt man Substrate, die nicht aus Torf bestehen, da dessen Abbau wichtige Biotope zerstört. Alternativ kann beispielsweise Kompost gewählt werden, der zugleich die Möglichkeit bietet, Kohlenstoff zu konservieren.
Müllverursachung durch die Zimmerpflanzenzucht
Spätestens beim Kauf von Zimmerpflanzen merkt man, dass die meisten Pflanztöpfe aus Plastik sind. Leider ist der Pflanztopf aber nur der letzte sichtbare Müll/Materialverbrauch, der während der Produktion einer herkömmlichen Zimmerpflanze entsteht. Wir haben hier mal eine Liste mit nötigen Materialinputs gesammelt, die bei der Produktion einer einzelnen Zimmerpflanze anfallen können:
Wellpappe, Kunststofffolie, Polyethylen Granulat, Natriumhypochlorit, Ethanol, Benzoesäure, leichtes Heizöl, Ammoniumsulfatnitrat, Fungizide, Kokosfaser, Insektizide, Benzin, Polystyrol, Verpackungshüllen, Substrat, Polypropylen Granulat, Plastikrohre, Vlies, Plastiktöpfe, Dünger, Desinfektionsspray, Holzstäbchen, …
Einem Bericht der deutschen Umwelthilfe zufolge, erzeugt allein der deutsche Pflanzenhandel 150 Millionen Einwegverpackungen (21000 Tonnen Kunststoff) pro Jahr, die nach einmaliger Benutzung weggeworfen werden müssen. Eine Lösung wäre hier die Nutzung von Mehrwegverpackungen.
Ähnlich problematisch sieht es mit Kunststoff-Pflanztöpfen aus. Davon landen über 95% auf Deponien. Im Jahr 1998 wurde daher das Missouri Botanical Garden’s Plastic Pot Recycling Program (MOBOT) in die Welt gerufen, welches sich das Recycling von Kunststofftöpfen zum Ziel gesetzt hat. Auch wenn das Projekt heute leider nicht mehr existiert, konnten im Verlauf des Projektes mehr als 300 Tonnen Plastik recycelt werden und beispielsweise in Baustoffe verwandelt werden. Heute besteht laut den Projektleitern leider keine Nachfrage mehr nach dem Kunststoff der gebrauchten Pflanztöpfe. Pflanztöpfe aus nachhaltigen Materialen, längere Nutzzeiten der Töpfe und lokale Tauschbörsen könnten Abhilfe leisten!
Schwarze Plastiktöpfe sind besonders umweltschädlich, da sie mit spezieller Tinte gefärbt werden, die sich nur sehr schwierig abbauen lässt. Sie können nicht recycelt werden und brauchen ungefähr 450 Jahre, um sich zu zersetzen.
Ein weiteres Problem ist die Menge an Müll, die in Gewächshäusern anfällt. Pro Hektar und Jahr sind das 1,1 Tonnen Gewächshausfolie, 500kg Plastik von Bewässerungssystemen, Behältern und ähnlichem und allein 50kg für Insektenfallen. Wo es möglich ist, könnte die Umstellung auf Bioplastik zumindest den CO2-Fußabdruck signifikant von 2-3kg CO2 auf 0,2-0,5kg CO2 pro produziertem kg Kunststoff reduzieren. Was jedoch bleibt, sind Unmengen an schwer abbaubarem Kunststoffmüll.
Eine Voraussetzung für Tauschbörsen bzw. das Recycling von gebrauchten Pflanztöpfen, ist die Säuberung und Desinfizierung gebrauchter Töpfe. So können Pflanzenkrankheiten sich nicht weiterverbreiten und Substratreste verursachen keine Probleme beim Recycling.
Kurz und knapp: Im ganzen Produktionsprozess von Zimmerpflanzen fallen große Mengen schwer abbaubaren Kunststoffmülls an. Diese Menge an Müll könnte durch Mehrwegverpackungen, den Einsatz nachhaltiger Materialien und andere Maßnahmen reduziert werden.
Das Problem Einweg - Pflanzen
Wir haben gesehen, dass bei der Züchtung von Zimmerpflanzen eine ganze Menge Umweltschäden entstehen können. Um diese Schäden zumindest in gewissem Maße rechtfertigen zu können, muss unbedingt gewährleistet sein, dass die gekaufte Pflanze möglichst lange überlebt. Leider ist das nicht unbedingt gegeben. Viele Pflanzen gehen nach dem Kauf ein – sei es wegen „fehlender“ Chemikalien, an die sich die Pflanze bereits gewöhnt hat oder wegen schlechter Pflege. Außerdem werden Pflanzen, die gewisse Makel aufweisen oft gar nicht angeboten, sondern direkt weggeworfen. Hier geht es vor allem um die Einstellung der Konsumenten. Wenn nicht jeder nur nach DER perfekten Pflanze sucht, sondern auch Pflanzen mit kleinen Schäden eingekauft werden, dann kann sich der Handel daran orientieren und solche Pflanzen im Sortiment behalten.
Manche Pflanzen wie Chrysanthemen und Weihnachtssterne gehen besonders oft direkt nach dem Kauf ein und sollten daher eher gemieden werden
CO2-Fußabdruck im gesamten Lebenszyklus von Zimmerpflanzen
In diesem Abschnitt haben wir alle zurzeit verfügbaren Studien, die den CO2-Fußabdruck verschiedener Zimmerpflanzen messen unter die Lupe genommen. Zu beachten ist, dass die Studien sich methodisch teilweise stark unterscheiden. Es macht einen großen Unterschied, welche Größe die jeweilige Pflanze erreicht hat, und welche Produktionsschritte man in der Analyse einbezieht. So gibt es bspw. cradle-to-grave Analysen (bezieht alle Lebensabschnitte von der Wiege bis zum „Grab“ ein) oder cradle to gate Analysen (nur Wiege bis Werkstor).
CO2 Abdrücke einzelner Zimmerpflanzen aus einzelnen Studien:
- Orchideen (12cm Topfgröße, Wiege - Grab): 4,1 - 9kg CO2 + individueller Transport (bis zu 20+ kg CO2) (Soode et al, 2014)
- Chrysanthemen (20cm Wiege - Werktor): 0,65kg CO2 (Ingram et al., 2018a) -> niedrig, weil in den USA gezüchtet wurde und dadurch kaum Gewächshaus nötig war
- Hortensien/Orchideen (keine Größenangabe, Wiege - Werktor): 8kg/42 kg CO2e (Blonk et al., 2010)
- Weihnachtssterne (12cm Topfgröße, Wiege - Grab): 1 kg - 2.31 kg CO2 (Lampert, Menrad 2023) -> geheizt wurde mit erneuerbaren Energien, sonst bis zu + 3kg CO2 pro Pflanze
- Verschiedene Topfpflanzen (keine Angaben zur Größe der Pflanzen, Wiege - Werkstor): Alpenveilchen 5,5 kg, Amaryllis 3,5kg, Azaleen 3,5kg, Hyanzynthen 2,5kg, Weihnachtssterne 2,5kg Pelargonien 1,2kg, Chrysanthemen 0,5 kg, Primeln 0,8kg, Veilchen 0,3kg: durchschnittlich etwas unter 2kg CO2 (Wandl, Haberl 2017)
- Begonien (11,2cm): 0.140 kg CO2, niedrig da in den USA produziert -> kein Gewächshaus nötig (Ingram et al., 2018b)
Um die Analyse zu vervollständigen, müssen wir uns noch den Endtransport durch den Kunden ansehen. Hier können mitunter noch einmal beträchtliche Emissionen anfallen, die sogar höher als die Emissionen der Gewächshausbeheizung sein können.
Es gibt unterschiedliche Schätzungen zum Emissionsausstoß einer Autofahrt und die Zahl variiert logischerweise entsprechend Automodell und Fahrstil. Die Schätzungen bewegen sich zumeist zwischen 0,1 – 0,5 kg pro Fahrtkilometer. Eine 10 km Autofahrt verursacht also 1 – 5 kg CO2 und ist damit bereits höher als die Gesamtemissionen durch die Produktion vieler Zimmerpflanzen. Alternativ können Einkäufe mit dem Auto kombiniert werden oder wenn möglich mit Fuß / Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmitteln getätigt werden. Auch der Versand ist am Ende klimafreundlicher und verursacht im Durchschnitt nur ungefähr 0,3 - 0,5kg zusätzliches CO2.
Der große Anteil an den Emissionen durch den persönlichen Transport zeigt, dass Zimmerpflanzen durch ihre Produktionsemissionen nicht überproportional zum Klimawandel beitragen. Viel umweltschädlicher sind daher die Chemikalien, Abfallprodukte und die Ressourcenerschöpfung, die durch die Produktion anfallen.
Kurz und knapp: Den größten Anteil am CO2 Ausstoß durch die Produktion einer Pflanze hat eindeutig die Heizung des Gewächshauses (falls vorhanden) mit oft mehr als 50% aller Produktionsemissionen, danach folgen entweder Flugtransport oder Substrat. Den 4. größten Posten nimmt meistens der erzeugte Plastikmüll ein. Noch mehr CO2 als durch die Beheizung der Gewächshäuser wird oft durch den individuellen Transport bzw. die Abholung der Pflanze durch den Endverbraucher erzeugt. Hier sind Paketversand und Abholung zu Fuß, mit dem Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmittel sinnvolle Alternativen.
Möglichkeiten an nachhaltige Zimmerpflanzen zu kommen
Genug des Trübsals, jetzt ist es an der Zeit etwas zu verändern! Die umweltschädlichen Aspekte der Pflanzenzucht sind nicht in Stein gemeißelt und du als Konsument hast gute Möglichkeiten mit deiner Nachfrage Dinge ins Gute zu wenden. Hier sind unsere Top Tipps für umweltfreundliche Zimmerpflanzen:
- Hey, ich bin auch noch da: Die umweltfreundlichste Zimmerpflanze ist die Pflanze, die bereits existiert. Widme deinen Pflanzen doch ein paar Minuten mehr am Tag – sie werden es dir danken und prächtig gedeihen. PS: Wir wissen, dass es mit der Pflege manchmal nicht so einfach ist. In unserem Magazin gibt es zahlreiche ausführliche Beiträge, die dir weiterhelfen, wenn du Fragen hast
- Meine Pflanze ist deine Pflanze: Zimmerpflanzen sparen sich eine umweltschädliche Produktionskette, wenn du sie gebraucht oder als Ableger kaufst. Dafür wirst du online z.B. bei Ebay oder Facebook fündig, es gibt aber auch lokale Pflanzentauschbörsen, wo du dir die Pflanzen erst einmal in Ruhe begutachten kannst. Oder wenn du zu Besuch bist, einfach umschauen und nach Senkern/Zweigen fragen.
- Von Anfang an dabei: Die Produktionskette kannst du auch überspringen, indem du deine Zimmerpflanze einfach selbst ziehst! Schau dir dazu gerne unser Anzuchtset für den kanarischen Drachenbaum an (dabei ist außerdem torffreies Spezialsubstrat, ein Bambustopf und mehr)
- Too good to go: Frag doch im Pflanzenladen deiner Wahl einmal nach, ob es beschädigte Pflanzen gibt, die der Laden sonst entsorgen würde.
- Lass es kreisen, baby: Wenn du das nächste Mal einen neuen Pflanztopf brauchst, dann frag doch erstmal in deinem Freundeskreis, ob jemand noch Töpfe übrig hat. Außerdem kannst du selbst alte Töpfe aufheben, um sie später wieder verwenden zu können. Wir haben z.B. eine ganze Kiste voller alter Pflanztöpfe, die wir immer wieder neu benutzen.
- Erde an Umwelt: Wenn du Substrat neu kaufst, dann kannst du darauf achten, nur torffreies Substrat zu holen. Außerdem kannst du eigene Komposterde herstellen und in deinem Substrat wieder verwenden. Auch Deponien bieten oft kompostierte Erde an.
- Wenn, dann Bio: Für den Fall, dass du eine neue Pflanze kaufen möchtest, dann achte auf eines der bekannten Bio-Siegel. Die Pflanze ist dann weniger schadstoffbelastet und das Substrat torfreduziert.
Hast du noch weitere Tipps, wie Zimmerpflanzen umweltfreundlicher sein können? Teile dein Wissen gerne in den Kommentaren!
Kurz und knapp: Es gibt eine ganze Menge Möglichkeiten, gebrauchte Zimmerpflanzen zu kaufen oder Pflanzen selbst zu keimen. Auf diese Weise überspringst du die problematischen Produktionsprozesse. Außerdem gibt es mittlerweile auch viele umweltfreundliche Substrate, Pflanztöpfe und andere Hilfsmittel. Wenn du als Konsument genau hinschaust, hast du eine Menge Möglichkeiten an nachhaltige Zimmerpflanzen zu kommen.
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