Zimmerpflanzen selbst säen – nachhaltiger, gesünder und spannender
Hast du dich schon einmal gefragt, ob es sinnvoll ist, Zimmerpflanzen selbst zu pflanzen? Das ist eine gute Frage. Die meisten Zimmerpflanzen haben nämlich ein massives Nachhaltigkeitsproblem und die eigene Anzucht von Zimmerpflanzen kann eine ganze Menge dieser Probleme lösen und bietet auch weitere Vorteile gegenüber dem herkömmlichen Pflanzenkauf. Allerdings bringt auch die Anzucht von Zimmerpflanzen einige Probleme mit sich, die wir in diesem Beitrag ebenso thematisieren.
Inhalt
- Ist es sinnvoll Zimmerpflanzen zu säen: Kurzfassung
- Vorteile der Anzucht von Zimmerpflanzen
- Nachteile der Anzucht von Zimmerpflanzen
Ist es sinnvoll Zimmerpflanzen zu säen: Kurzfassung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Anzucht von Zimmerpflanzen sehr sinnvoll ist und die Vorteile die Nachteile klar überwiegen. Die wichtigsten Vor- und Nachteile sind:
Vorteile |
Nachteile |
- Vermeidung von einer Menge Müll und Emissionen |
- Nicht alle Zimmerpflanzen eignen sich zur Anzucht |
Vorteile der Anzucht von Zimmerpflanzen
1. Keine Chemikalien
Unserer Einschätzung nach, ist die größte Problematik mit konventionellen Zimmerpflanzen, dass die meisten von ihnen mit einer ganzen Palette von Giftstoffen behandelt werden, die mitunter auch für Menschen gesundheitsschädigend sind (mehr erfahren). Da es kaum Bio-Pflanzen gibt, ist es auch schwierig, bewusst chemikalienfreie Pflanzen zu kaufen. Als Alternative vermeidest du mit selbst angezüchteten Zimmerpflanzen dieses Problem. Du entscheidest schließlich selbst, welche „Hilfsmittel“ du bei der Anzucht verwendest und wenn alle Stricke reißen, dann kannst du immer noch auf natürliche Pestizide gegen Schädlinge zurückgreifen.
2. Weniger Schädlinge
Die konventionelle Pflanzenzucht kann unter Umständen die Verbreitung von Pflanzenschädlingen fördern (siehe auch unter widerstandsfähigere Pflanzen). So werden über 80% der in Deutschland verfügbaren Zimmerpflanzen aus dem globalen Süden importiert und dabei können versehentlich Neophyten, also nicht heimische (Schädlings-)arten nach Deutschland gelangen. Auch wenn die Pflanzen „nur“ aus Gewächshäusern in den Niederlanden stammen, fördert die Massenaufzucht und der Transport die Verbreitung von Schädlingen. Beispielsweise wurden in einer Stichprobe von Weihnachtssternen auf mehr als 10% aller untersuchten Pflanzen Thripse gefunden. Wenn du deine Pflanze selbst keimen lässt, dann vermeidest du, dass neue Schädlinge über gekaufte Pflanzen in deine Wohnung gelangen.
3. Weniger Müll
Wir haben in unserer Nachhaltigkeitsanalyse von Zimmerpflanzen eine Aufzählung von Abfall veröffentlicht, der bei der konventionellen Pflanzenzucht entsteht. Neben Plastiktöpfen, Bewässerungssystemüberresten und Plastikfolien sind das z.B. auch Gelbsticker und Transportverpackungen. Bei der eigenen Anzucht kannst du die Müllerzeugung auf das Mindeste reduzieren. Im Optimalfall hebst du gebrauchte Blumentöpfe auf und recycelst sie für deine neue Pflanzen. Auf diesem Weg kannst du eine Menge Plastikverbrauch einsparen.
4. Weniger Emissionen
Neben einer Menge Müll entstehen bei der Pflanzenzucht leider auch einige Emissionen. Die größten Übeltäter sind hierbei die Gewächshäuser, die zur Anzucht auf tropische Temperaturen aufgeheizt werden müssen und der Flugtransport von Pflanzen aus wärmeren Gefilden. Da du dein zuhause wahrscheinlich sowieso heizt, brauchst du keine weitere Energie aufwenden, um Zimmerpflanzen selbst zu säen und zu keimen und kannst damit eine Menge Emissionen einsparen.
5. Widerstandsfähigere Pflanzen
Diesen Punkt können wir leider nicht belegen, aber es ist ein Eindruck, den wir über die Zeit als Anzuchtfans gewonnen haben und den wir auch bei vielen Gärtnerfreunden bestätigt bekommen haben. Pflanzen, die sich einen Standort „aussuchen“, indem sie an diesem selbst keimen, sind widerstandsfähiger als Pflanzen für die der Standort „ausgesucht wurde“, indem sie dahin gestellt oder umgetopft wurden. Das erscheint uns logisch, da die selbst gekeimte Pflanze ihr ganzes Leben bereits an diesem Standort verbringt und sich an diesen schon länger anpassen konnte. Die umgesetzte Pflanze hingegen erleidet erst einmal einen Umweltschock und muss sich neu Akklimatisieren. Wir würden unseren Punkt auch gerne mit einem entsprechenden Fachartikel belegen können, konnten dazu jedoch nichts finden. Kennst du einen Artikel / ein Buch / etc. über dieses Phänomen? Lass es uns gerne in dem Kommentaren wissen!
6. Sicherung der pflanzengenetischen Ressourcen von Pflanzen
Viele Zimmerpflanzen aus dem Pflanzenhandel werden über Ableger vermehrt. Das ist praktisch, führt allerdings dazu, dass es weniger Variation im Erbgut mancher Zimmerpflanzenarten gibt. Es werden einfach zahlreiche Klone einiger Mutterpflanzen in den Umlauf gebracht. Fehlende Variation im Erbgut bedeutet allerdings auch fehlende Risikostreuung. Schädlinge können sich auf die wenigen Erbgutvariationen spezialisieren und die Verteidigungsmechanismen dieser leichter umgehen. Auch führt weniger Variation dazu, dass die Art sich langsamer an neue Umwelteinflüsse wie klimatische Veränderungen anpassen kann. Durch die Anzucht durch Samen spendest du einer Art neues Erbmaterial. Die „Erbguthilfe“ ist natürlich besonders für bedrohte Arten, die sich in der Natur nicht mehr ausreichend ausbreiten relevant. Ein Beispiel für eine bedrohte Zimmerpflanzenart ist der kanarische Drachenbaum.
7. Keimlinge sind platzsparend
Du hast im Moment nicht genug Platz für eine 2-Meter Monstera, z.B. weil du Student bist und im Studentenwohnheim eingeengt wohnst? Kein Problem, du kannst ja auch klein anfangen: Keimlinge passen auf jedes noch so kleine Fensterbrett und ehe sie die Größe einer ausgewachsenen Zimmerpflanze erreichen, vergehen ein paar Monate bis Jahre. Bis dahin hast du sicherlich eine größere Wohnung oder findest auf eine andere Weise Platz.
8. Spezielle Bindung zu deinen Keimlingen
Es gibt eine spannende und anhaltende Diskussion darüber, ob es Sinn macht, Pflanzen zu „humanisieren“, also Pflanzen menschliche Attribute und Fähigkeiten wie Gefühlswahrnehmung zuzuschreiben. Wir wollen darauf in diesem Beitrag nicht weiter eingehen, sondern lassen jedem Leser offen, wie er „Bindung zu Pflanzen“ für sich interpretiert. Fakt ist, dass man durch das eigene Anziehen von Zimmerpflanzen eine Menge über die Pflanze lernt und auch eine besondere Wertschätzung für die Pflanze entwickelt, deren Weg man von ihrer „Geburtsstunde“ an begleiten durfte.
Nachteile der Anzucht von Zimmerpflanzen
1. Viel Aufwand in der ersten Lebensphase
Bei der Aussaat von Zimmerpflanzen sollte beachtet werden, dass in der Anfangszeit sehr viel Aufmerksamkeit für den Samen bzw. Keimling nötig ist. Anfangs muss das Substrat durchgehend feucht gehalten werden und es muss dafür gesorgt werden, dass das Raumklima konstant bleibt. Die jungen Pflanzen müssen regelmäßig überprüft werden und gegebenenfalls umgetopft werden, da sie schnell wachsen. Erst nach einigen Wochen haben sich die Pflänzchen stabilisiert und brauchen weniger Pflege.
2. Wenig Hilfestellung
Auch wenn die Vorteile der eigenen Keimung die Nachteile klar überwiegen, gibt es im Moment leider wenige Informationen und Hilfestellungen für die Anzucht von Zimmerpflanzen. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, diese Wissenslücke zu schließen und veröffentlichen regelmäßig Beiträge in unserem Magazin, die dir bei deiner Anzucht helfen. Außerdem bieten wir ein perfekt abgestimmtes Anzuchtset für den kanarischen Drachenbaum an, welches neben Bambustöpfen, einem Spezialsubstrat und hochwertigen Samen auch eine Anzuchtanleitung und eine Sammelkarte für deinen Keimling enthält.
3. Nicht alle Pflanzen eignen sich zur Keimung
Leider lassen sich auch nicht alle bekannten Zimmerpflanzen ohne Weiteres keimen. Einerseits gibt es Pflanzen wie Grünlilien, die sich wesentlich besser aus Absetzern gewinnen lassen können und deren Samen recht selten sind.
Andererseits gibt es auch Pflanzen, die einfach sehr geringe Keimquoten haben und Spezialanforderungen stellen, um erfolgreich zu keimen. So benötigen viele Baumsamen eine Stratifikation (Kältebehandlung), um keimen zu können und manche Palmenarten brauchen mehrere Jahre, um erfolgreich zu keimen. Solche Pflanzen eignen sich tendenziell nicht zur Anzucht. Die Anzucht soll ja auch Spaß bereiten und nicht von Frustration geprägt sein.
Quellen:
Navas-Castillo, J., Fiallo-Olivé, E. & Sánchez-Campos, S. (2011). Emerging Virus Diseases Transmitted by Whiteflies. Annual Review of Phytopathology, 49(1), 219–248. https://doi.org/10.1146/annurev-phyto-072910-095235
Nachrichtenblatt des Deutschen Pflanzenschutzdienstes 46, 11 (1994): Neue Aspekte zur Bedeutung und Bewertung von Bemisia tabaci (Gennadius), S. 255
Sallinen, S., Norberg, A., Susi, H. et al. Intraspecific host variation plays a key role in virus community assembly. Nat Commun 11, 5610 (2020). https://doi.org/10.1038/s41467-020-19273-z
www.pflanzpaket.de/blog/themen/nachhaltigkeit
Dattelpalmen benötigen ca. 5 bis 6 Monate zum Keimen. Die Keimlinge benötigen dann ca. 2Jahre bis sie ihre hochwachsenden Blätter zu der bekannten Form entfalten. Sie können also ein “Studentenleben” auf der Fensterbank auch sehr gut begleiten.
Ich wünsche den “Firmeninhabern” viel Erfolg.